Nürnberger Ketzerprozesse

gegen Kindermordgegner

EINE KETTE VON RECHTSBEUGUNGEN

III.1.d. Urteil

 

Amtsgericht Fürth

 

Geschäftsnummer: 451 Ds 404 Js 41595/98

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

des Amtsgerichts Fürth

 

in dem Strafverfahren gegen

Lerle, Dr. Johannes, geboren am 01.06.1952 in Halle, ledig, Unternehmer (selbständig), Brüxer Straße 25, 91052 Erlangen, deutscher Staatsangehöriger,

wegen Beleidigung u.a.

aufgrund der Hauptverhandlung vom Donnerstag,.dem 03.02.2000,

an der teilgenommen haben:

1. Richter am Amtsgericht Klier als Strafrichter

2. Staatsanwalt Zimmermann als Vertreter der Staatsanwaltschaft,

3. Justizsekretärin Steinbrecher als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle.

I. Der Angeklagte wird wegen Beleidigung, in Tateinheit mit übler Nachrede zu einer

Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20,-- DM

verurteilt.

II. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.

III. Angewandte Vorschriften: §§ 185, 186, 194, 52 StGB

 

Gründe:

 

I .

Der ledige Angeklagte hat in der früheren DDR zunächst Theologie studiert. Er kam 1982 in die Bundesrepublik Deutschland, studierte in Erlangen weiter und promovierte. Er betreibt derzeit ein Entrü mpelungsunternehmen. Zu seinen finanziellen Verhältnissen äußert.er sich nicht.

Das Bundeszentralregister weist einen Eintrag auf.

Durch Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 11.03.1998 (Az.: 45 Cs 404 Js 43127/97), rechtskräftig seit 23.06.1999, wurde er wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20,-- DM verurteilt.

II.

Der Angeklagte zeichnete presserechtlich verantwortlich für das Flugblatt “Waigel für Tötungskapazitäten", in dem es unter anderem heißt:

"Indem auch Dr. Waigel andere beauftragt hat, Tötungskapazitäten bereitzustellen, wandelt er in den Fußstapfen des demokratisch gewählten Reichskanzlers Adolf Hitler, der ebenfalls andere beauftragte, Tötungskapazitäten bereitzustellen. Wie der nationalsozialistische Staat den "Achtungsanspruch" seiner Schergen schützte, so schätzen auch heute Richter den Ruf von solchen Kriminellen, die die Rückendeckung -z.B. Dr. Waigels genieß en."

Des Weiteren ist in diesem Flugblatt auch folgende Passage enthalten:

"Wegen angeblicher Beleidigung eines bundesweit bekannten Tötungsspezialisten fü r ungeborene Kinder wurde ich (Johannes Lerle) durch Richter Ackermann vom Amtsgericht Nürnberg zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Ob diese Rechtsbeugung auch in der 2. Instanz Bestand hat, wird sich bei der öffentlichen Berufungsverhandlung des Strafprozesses zeigen, die am Dienstag, dem 08.09., 10.00 Uhr im Sitzungssaal 144/1 des Landgerichts Nürnberg-Fürth im Justizgebäude in der Fürther Straße 110 in Nürnberg stattfindet."

Entsprechend seiner vorgefassten Absicht fühlten die Geschädigten Dr. Waigel und Richter am Amtsgericht Ackermann sich durch diese Äußerungen in ihrem sozialen Wert herabgewürdigt und in ihrer Ehre gekränkt.

Dr. Waigel hat form- und fristgerecht am 30.07.1998 Strafantrag gestellt. Der Dienstvorgesetzte des Richters am Amtsgericht Ackermann hat am 03.08.1998 form- und fristgerecht Strafantrag gestellt.

Exemplare des verfahrensgegenständlichen Flugblattes wurden in unbekannter Anzahl am 29.07.1998 von ihm im Stadtgebiet Fürth in Briefkästen verteilt. Am 31.07.1998 wurde der Angeklagte gegen 14.30 Uhr vor Beginn einer Versammlung in Fürth, auf der Dr. Waigel 'sprach, betroffen, wobei insgesamt 1155 verfahrensgegenständliche Flugblätter beschlagnahmt wurden.

III

Der Angeklagte bestreitet nicht, obige Flugblätter verteilt bzw. besessen zu haben und diese auch vorher gefertigt zu haben.

Durch die Abtreibung würden "Menschen" zerstückelt. Es handelt sich nicht um Embryos, sondern um Menschen im Mutterleib. Die Tötung des Kindes im Mutterleib sei Mord. Deshalb habe er das Recht, mit verbaler Schärfe vorzugehen. Er habe Dr. Waigel nicht beleidigen wollen. Aus der Sicht des Kindes, das im Mutterleib zerstückelt werde und danach mit dem Klinikmüll einer menschenunwürdigen Entsorgung zugeführt werde, mache es keinen Unterschied, ob dieses grausige Geschehen im Rahmen oder außerhalb des Rahmens geltender Gesetze ablaufe. Dr. Waigel habe durch sein Votum für die Bereitstellung von Kapazitäten zur Durchführung sog. “Schwangerschaftsabrüche" dazu beigetragen, dass dieselben vom Staat nicht nur toleriert würden, sondern zu einer gesellschaftlichen Aufgabe gemacht würden. Waigel und Hitler sei es in der Tat gemeinsam, dass sie, vom Gottesrecht und vom Naturrecht aus betrachtet, verabscheuungswürdige verbrechen zur gesellschaftlichen Aufgabe gemacht hätten.

Der Angeklagte hat sich damit des Vergehens der Beleidigung des Dr. Waigel sowie des Vergehens der üblen Nachrede des Richters Ackermann gemäß §§ 185, 186, 194 StGB schuldig gemacht.

Rechtfertigungsgründe stehen dem Angeklagten nicht zur Seite.

Der Angeklagte hat durch obiges Flugblatt Dr. Waigel in seiner äuß eren Ehre gekränkt und in seiner Stellung innerhalb der menschlichen Gesellschaft herabgesetzt. Der Angeklagte hatte auch den unbedingten Vorsatz der Kränkung.

Was diese Äußerung gegenüber Dr. Waigel anbelangt, bestehen keinerlei Rechtfertigungsgründe. Der Angeklagte wäre durchaus berechtigt gewesen, die Abtreibungspraxis hart zu kommentieren, zumal im lange andauernden Abtreibungsstreit die Fronten der Gegner und Befürworter sich unversöhnlich gegenüber standen und auch jetzt noch gegenüberstehen. Er ist jedoch nicht berechtigt, auf obige Art und Weise Dr. Waigel so abzuqualifizieren, dass er ihn auf eine Stufe mit Adolf Hitler stellt und ihn auch mit Schergen im 3. Reich vergleicht. Er hat damit die Grenze zur berechtigten Kritik weit überschritten. Was er treibt, ist Schmähkritik. Diese ist durch das Gesetz nicht gedeckt.

Ebenfalls verhält es sich mit der Behauptung, Richter Ackermann habe Rechtsbeugung begangen. Der An geklagte hätte ohne weiteres ungestraft die Auffassung des Richters Ackermann kritisieren dürfen; er hat jedoch die Behauptung, dieser habe Rechtsbeugung begangen, eine üble Nachrede im Sinne des § 186 StGB begangen, da er mit der Bezeichnung "Rechtsbeugung" in Beziehung auf Richter Ackermann eine Tatsache behauptete und verbreitete, welche diesen verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist. Zweifellos hat Richter Ackermann keine Rechtsbeugung begangen.

V.

Bei der Bemessung der Strafe sprach zugunsten des Angeklagten, dass er den äußeren Sachverhalt unumwunden einräumte. Zur Tatzeit war er noch nicht vorbestraft, wenn auch bereits das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 11. 03.1998 (noch nicht rechtskräftig) gesprochen worden war. Weiterhin sprach zugunsten des Angeklagten, dass das Grundmotiv seines Handelns in gewissen Umfang verständlich bleibt, soweit er das ungeborene Leben schützen will.

Zu Lasten des Angeklagten geht jedoch, dass er Dr. Waigel und den Richter Ackermann massiv verunglimpft hat.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände war eine Geldstrafe noch ausreichend. Eine solche von 50 Tagessätzen war tat- und schuldangemessen. Die Höhe des Tagessatzes wird gemäß § 40 Abs. 2 StGB auf 20,-- DM geschätzt.

Kosten: §§ 464, 465 StPO

gez. Klier

Richter am Amtsgericht

05.02./21.02./24.02..2000/Mä