Nürnberger Ketzerprozesse

gegen Kindermordgegner

EINE KETTE VON RECHTSBEUGUNGEN

III.1. Der Strafprozeß

 

III.1.a. Anklageschrift:

 

Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth

 

Aktenzeichen: 404 Js 41595/98

Nürnberg, 14.10.1998

 

Ank1ageschrift

 

in der Strafsache

gegen

 

Johannes Lerle geb. 01.06.1952 in Halle, Geburtsname: Lerle,

deutscher Staatsangehöriger, wohnhaft: Brüxer Str. 25, 91052 Erlangen

 

Die Staatsanwaltschaft legt aufgrund ihrer Ermittlungen dem Angeschuldigten folgenden Sachverhalt zur Last:

Der Angeschuldigte zeichnet presserechtlich verantwortlich für das Flugblatt "Waigel für Tötungskapazitäten", in dem es u. a. heißt:

"Indem auch Dr. Waigel andere beauftragt hat, Tötungskapazitäten bereitzustellen, wandelt er in den Fußtapfen des demokratisch gewählten Reichskanzlers Adolf Hitler, der ebenfalls andere beauftragte, Tötungskapazitäten bereitzustellen. Wie der nationalsozialistische Staat den "Achtungsanspruch" seiner Schergen schützte, so schützen auch heute Richter den Ruf von solchen Kriminellen, die die Rückendeckung z. B. Dr. Waigels genießen."

Des weiteren ist in diesem Flugblatt auch folgende Passage enthalten:

"Wegen angeblicher Beleidigung eines bundesweit bekannten Tötungsspezialisten für ungeborene Kinder wurde ich (Johannes Lerle) durch Richter Ackermann vom Amtsgericht Nürnberg zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Ob diese Rechtsbeugung auch in der zweiten Instanz Bestand hat, wird sich bei der öffentlichen Berufungsverhandlung des Strafprozesses zeigen, die am Di. dem 8. September 10 Uhr im Sitzungssaal 144/I des Landgerichts Nürnberg-Fürth im Justizgebäude in der Fürther Str. 110 in Nürnberg stattfindet."

Entsprechend seiner vorgefaßten Absicht fühlten die Geschädigten Dr. Waigel und Richter am Amtsgericht Ackermann sich durch diese Äußerungen in ihrem sozialen Wert herabgewürdigt und in ihrer Ehre gekränkt.

Dr. Waigel hat form- und fristgerecht am 30.07.1998 Strafantrag gestellt. Der Dienstvorgesetzte des RiAG Ackermann hat am 03.08.1998 form- und fristgerecht Strafantrag gestellt. Exemplare des verfahrensgegenständlichen Flugblattes wurden in unbekannter Anzahl am 29.07.1998 als Postwurfsendung im Stadtgebiet Fürth verteilt. Am 31.07.1998 wurde der Angeschuldigte gegen 14.30 Uhr vor Beginn einer Versammlung in Fürth, auf der Dr. Waigel sprach, betroffen, wobei insgesamt 1155 verfahrensgegenständliche Flugblätter beschlagnahmt wurden.

Diese Flugblätter unterliegen der Einziehung. Ebenso unterliegen die anläßlich einer Hausdurchsuchung beim Angeschuldigten beschlagnahmten Flugblätter und die Diskette, 720 KB, "Kohl", der Einziehung.

Der Angeschuldigte wird daher beschuldigt,

durch eine Handlung

in zwei tateinheitlichen Fällen jeweils einen anderen beleidigt zu haben;

strafbar als

Beleidigung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen.

Anzuwendende Vorschriften:

§§ 185, 194, 52, 74 Abs. 1, 74 d Abs. 1 S. 1 u. S. 2 StGB.

 

Wesentliches Ermittlungsergebnis:

Der Angeschuldigte ist als radikaler Abtreibungsgegner bekannt. Im Verfahren 404 Js 43127/97 wurde er wegen eines ähnlichen Flugblattes, das den Nürnberger Abtreibungsarzt Dr. Freudemann beleidigt, mit dem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 11.03.1998 zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je DM 20,00 verurteilt. In diesem Verfahren ist am 24.11.1998 Termin zur Berufungshauptverhandlung bestimmt. Bei der Staatsanwaltschaft sind im übrigen noch weitere Verfahren wegen ähnlicher Flugblätter anhängig.

Der Angeschuldigte ist nicht vorbestraft.

Zur Aburteilung ist nach §§ 7 - 13 StPO, §§ 24 Abs. 1, 25 Nr. 2 GVG das Amtsgericht -Strafrichter- Fürth zuständig.

 

Ich erhebe die öffentliche Klage und beantrage,

1.das Hauptverfahren zu eröffnen und die Anklage zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht - Strafrichter zuzulassen;

2. einen Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen.

 

Als Beweismittel bezeichne ich:

Zeugen:

KHM Sandhöfer (Bl. 3)

Urkunden:

Auskunft aus dem Bundeszentralregister

Strafanträge (Bl. 41, 43)

 

Sonstiges:

Beschlagnahmte Flugblätter ÜL-Nr. 154/8,

Einlassung des Angeschuldigten, soweit dieser gefolgt werden kann.

 

gez.: Eckenberger

Staatsanwältin