Nürnberger Ketzerprozesse

gegen Kindermordgegner

EINE KETTE VON RECHTSBEUGUNGEN

V.e. Berufung

 

Dr. Johannes Lerle

Brüxer Str. 25

91052 Erlangen

Tel 09131/302455

 

Az. 4 Cs 902 Js 140542/00

Erlangen, den 25.7.2000

Amtsgericht Erlangen

Postfach 1120

91051 Erlangen

 

 

Berufungsbegründung

 

Meine Berufung gegen das Urteil des Amtsgericht Erlangen vom 13.6.2000 (Az: 4 Cs 902 Js 140542/00) begründe ich hiermit wie folgt:

Da das StGB nicht Gesinnungen, sondern nur Taten unter Strafe stellt, kann meine Gesinnung der Geringschätzung von Frau Rosinski nicht strafbar sein. Weil ein Kotau bezeugt oder zumindest in dieser Weise mißverstanden werden kann, daß ich Frau Richterin Rosinski hochachte, ich aber keine Gesinnung bekunden wollte, die ich in Wirklichkeit nicht habe, deshalb blieb ich bei der Urteilsverkündung sitzen.

Von "Rechtsbeugung" sprach ich während des Gerichtstermins am 24.1.2000 erst, als ich durch Frau Richterin Rosinski dazu aufgefordert wurde, durch eine besondere Ehrbezeugung eine nicht vorhandene Gesinnung zu bekunden. Es kann doch nicht strafbar sein, daß ich einem Gericht die Gründe mitteile, weshalb ich einer richterlichen Aufforderung nicht nachkomme. Daß die Gerichtsverhandlung, in der ich dem Gericht die Gründe für mein Verhalten mitteilte, öffentlich war, dafür kann man nicht mich verantwortlich machen, sondern das hatte der Gesetzgeber entschieden. Deshalb wäre mein Verhalten während des Gerichtstermins am 24.1.2000 auch dann nicht strafbar, wenn kein Fehlverhalten von Frau Richterin Rosinski in der Strafsache Willert vorgelegen hätte.

Am angefochtenen Urteil ist auch zu rügen, daß bei der Urteilsfindung das Fehlverhalten von Frau Richterin Rosinski nicht berücksichtigt wurde. Die Aussage der Zeugin Rosinski, sie hätte "den Strafbefehl nach Aktenlage unterzeichnet" (S. 5 des angfochtenen Urteils), ist schlichtweg unzutreffend. Im Polizeibericht stand gerade nicht, daß Herr Willert irgendwelche Papiere verteilt hätte, noch war dies von irgendeinem anderen Zeugen behauptet worden. Hätte Frau Rosinski nicht derart oberflächlich gearbeitet, dann wären ihr Bedenken im Sinne von § 408 StPO gekommen, den von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl zu erlassen. Zumindest hätten ihr im Nachhinein nach Erhalt meines Schreibens vom 18.1.1999 [Tippfehler] (Eingang 19.11.1999) Bedenken kommen müssen. Jeder anständige Mensch ist von sich aus bemüht, anderen kein Unrecht zuzufügen. Mein Schreiben hätte Anlaß sein müssen, sich in den Akten zu vergewissern, ob es wirklich Zeugenaussagen gibt, daß Herr Willert Schriften verteilt hat. Ein Richter, der rechtsstaatliches Denken im Blut hat, der wird entsprechend § 244, Abs. 2 StPO auch beim Strafbefehl "zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle (auch die entlastenden) Tatsachen und Beweismittel erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind". Insbesondere hätte man auch Herrn Willert fragen können, ob er Blätter verteilt hatte.

Es ist Bestandteil des deutschen Strafrechts, daß nicht der Beschuldigte, z. B. Herr Willert, seine Unschuld beweisen muß, sondern die Anklage muß Herrn Willert eine Straftat nachweisen. Von daher stellt sich auch nicht die Frage, ob mein Schreiben vom 18.11.99 geeignet ist, die Unschuld von Herrn Willert zu beweisen. Denn die Beweislast liegt bei der Anklage. Aber mein Schreiben machte deutlich, daß ein strafbares Verhalten von Herrn Willert keineswegs erwiesen ist.

Es kommt noch hinzu, daß, nachdem ich Herrn Willert gesagt habe, daß er sich nicht strafbar gemacht hatte, er mit Frau Richterin Rosinski telefonierte und ihr mitteilte, daß er nicht zum Verteilen kam. Er wunderte sich, daß sie an der Wahrheitsfindung nicht weiter interssiert war, als ob es sein Problem wäre, seine Unschuld zu beweisen. Eine schriftliche Notiz von Herrn Willert über dieses Telefongespräch liegt dieser Berufungsbegründung bei.

Da das Gericht nach § 244, Abs. 2 StPO "zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken (hat), die für die Entscheidung von Bedeutung sind", wird das Gericht der Frage nachgehen müssen, unter welchem Datum dieses Telefonat in den Akten vermerkt ist und ob es überhaupt einen Aktenvermerk gibt. Dieser Vorgabe der Strafprozeßordnung kann das Gericht dadurch entsprechen, daß es mir Akteneinsicht gewährt.

Es wäre herauszufinden, ob dieses Telefongespräch stattfand, bevor der "Beschluß" vom 22.11.1999, dessen Ausfertigung für Herrn Willert das Datum vom 17.12.1999 trägt, dem Herrn Willert zugestellt wurde. Fest steht jedenfalls, daß das Telefongespräch stattfand, bevor Herr Willert den Geldbetrag an Amnesty International überwies. Frau Rosinski hätte somit den Beschluß aufgrund des Telefonates widerrufen können und widerrufen müssen.

Im Unterschied zum Original in den Akten trägt die mir vorliegende und dieser Berufungsbegründung beiliegende Ausfertigung des Beschlusses den Namen von Frau Rosinski. Als Nichtjurist kam ich nicht auf den Gedanken, daß in einem Gerichtsschriftstück ein falscher Sachverhalt beurkundet sein könnte. Aufgrund dieses "Beschlusses", dessen Ausfertigung für Herrn Willert den Namen "Rosinski" trägt, der nach Eingang meines Schreibens vom 18.11.1999 für Herrn Willert und, was anhand der Akten zu untersuchen ist, eventuell auch nach dem Telefonat des Herrn Willert mit Frau Rosinski ausgefertigt wurde, bezeichnete ich Frau Rosinski als Rechtsbeugerin. Ich bezeichnete sie nicht wegen des Strafbefehls als Rechtsbeugerin, sondern deswegen, weil sie gemäß eines (fehlerhaften) Gerichtsschriftstückes von Herrn Willert 1000 DM für die Einstellung eines Verfahrens erpreßt hat, obwohl sie zuvor darauf aufmerksamgemacht worden war, daß er unschuldig ist. Daß sie das entsprechende rechtsfehlerhafte Schriftstück ihrem eventuell sachunkundigen Kollegen Sapper zur Unterschrift zuspielte, macht ihre Handlungsweise nicht weniger verwerflich.

Ich hatte nicht die Absicht, Frau Richterin Rosinski zu beleidigen, sondern ich war subjektiv davon überzeugt, daß in der Strafsache Willert das Recht gebeugt wurde. Deshalb erstattete ich am 25.1.2000 bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige (Az.: 108 Js 120/00). Es ist mir unverständlich, wieso die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt hat außer aus Gründen kollegialer Solidarität, die der Volksmund mit folgenden Worten treffend beschreibt: "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus".

Nach wie vor bin ich der Überzeugung, daß in der Strafsache Willert das Recht gebeugt wurde. Nach dem Kommentar von Tröndle kann Rechtsbeugung u. a. begangen werden "durch Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo" und durch "bewußten Verstoß gegen die Aufklärungspflicht". Daß Frau Rosinski der in meinem Schreiben vom 18.11.1999 enthaltenen Aussage, daß Herr Willert keine Blätter verteilt hatte, nicht nachging, beweist einen "bewußten Verstoß gegen die Aufklärungspflicht". Des weiteren beweist mein Schreiben, daß sie den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt hat. Der Irrtum von Frau Rosinski, Herr Willert hätte Schriften verteilt, war zumindest für die Zeit nach Erhalt meines Schreibens selbstverschuldet.

Am angefochtenen Urteil ist zu rügen, daß das Telefonat des Herrn Willert mit Frau Rosinski zwar erwähnt (S. 4), bei der Urteilsfindung aber nicht berücksichtigt worden ist. Auch ist zu rügen, daß mein Beweisantrag vom 25.5.2000, Herrn Willert als Zeugen über das Telefongespräch zu befragen, nicht einmal einer Ablehnung nach § 244, Abs. 6 StPO gewürdigt, sondern einfach ignoriert wurde.

In der Hauptverhandlung am 13.6.2000 hatte ich versäumt, der Zeugin Frau Rosinski Fragen zu dem Telefonat mit Herrn Willert zu stellen. Dieses mein Versäumnis wird dadurch erklärbar, daß ich sehr verwirrt war, als ich erfuhr, daß der "Beschluß" vom 22.11.1999, den ich als Rechtsbeugung wertete, im Original nicht von Frau Rosinski unterschrieben ist.

Falls die Fragen im Zusammenhang mit dem Telefongespräch nicht im Vorfeld der Berufungsverhandlung durch die Akten beantwortet werden, werde ich nach § 244 StPO den Beweisantrag stellen, Herrn Willert und Frau Rosinski als Zeugen zu laden, damit sie hierzu aussagen können.

Dieser Berufungsbegründung lege ich meine schriftliche Prozeßvorbereitung vom Gerichtstermin am 13.6.2000 bei. Ich tue dies anstelle einer Wiederholung meiner Argumente, weshalb es Rechtsbeugung ist, jemanden wegen der wahrheitsgemäßen Tätigkeitsbezeichnung "Berufskiller" für Dr. Freudemann zu bestrafen.

Johannes Lerle

Anlagen:

Ausfertigung des "Beschluß" vom 22.11.1999 für Herrn Willert

Herr Willerts "Notiz zur Strafsache Aktenzeichen 4 Cs 902 Js 140542/00"

Verteidigung im Strafprozeß wegen angeblicher Beleidigung von Richterin Rosinski am 13.Juni 2000