Nürnberger Ketzerprozesse

gegen Kindermordgegner

EINE KETTE VON RECHTSBEUGUNGEN

VI.e. Urteil

 

AMTSGERICHT NÜRNBERG

45 Ds 404 Js 30018/00

 

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

des Amtsgerichts Nürnberg

.in der Strafsache gegen

Lerle Dr. Johannes, geboren am 01.06.1952 in Halle, lediger z. Zt. freiberuflich im Entrüm, Brüxer Str. 25, 91052 Erlangen, deutscher Staatsangehöriger;

wegen Beleidigung

aufgrund der Hauptverhandlung vom 24.05.2000, ---

an der' teilgenommen haben:

Richter am Amtsgericht Ackermann als Strafrichter

StAin Eckenberger als Vertreterin der Staatsanwaltschaft,

Justizhauptsekretärin Meyer als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle.

Der Angeklagte wird wegen eines Vergehens der Beleidigung zu einer

Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20,--DM, insgesamt 3.000,--DM

verurteilt.

Dem Angeklagten wird gestattet, die erkannte Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 50,--DM zu zahlen. Die Rate ist jeweils am ersten des auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monats fällig. Bleibt der Angeklagte mit einer Rate ganz oder teilweise mehr als zwei Wochen im Rückstand, wird die gesamte Restgeldstrafe zur Zahlung fällig.

Die sichergestellten Flugblätter werden eingezogen. .

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Angew. Vorschriften:   §§ 185, 194, 74, 74 d, 21, 49 StGB. .

Gründe:

I.

1.

Der Angeklagte zeichnete presserechtlich verantwortlich für das Flugblatt

"Kindermord im Klinikum Nord Dr. Freudemann tötet Kinder",

in dem es unter anderem heißt:

"Dr. Freudemann foltert - schlimmer als im KZ -: Die Opfer werden zu Tode gequält und lebendig in Stücke gerissen. ......

Auch Dr. Freudemann scheint dies so zu verstehen. Denn beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe klagte er gegen ein bayerisches Gesetz, das ihm verbietet, mehr als 25 Prozent seiner Einnahmen durch die Tötung von Kindern zu erzielen. Und die Karlsruher Richter beugten das Recht in seinem Sinne, indem sie urteilten, daß das Grundrecht der freien Berufsausübung auch für Berufskiller gilt."

Entsprechend der vorgefassten Absicht des Angeklagten fühlte der Geschädigte Dr. Freudemann sich durch diese Äußerungen in seinem sozialen Wert herabgewürdigt und in seiner Ehre gekränkt.

Dr. Freudemann hat form- und fristgerecht am 23.2.000 Strafantrag gestellt. Exemplare des verfahrensgegenständlichen Flugblattes wurden vom Angeklagten am 26.11.99 und am 3.12.99 von Unbekannten auf dem Hauptmarkt in Nürnberg verteilt.

Die beschlagnahmten Flugblätter unterliegen der Einziehung.

2.

Dieser Tat vorangegangen war bereits eine längere Auseindersetzung zwischen dem Angeklagten und Dr. Freudemann, die u.a. auch in dem Babycaust-Holocaust-Beschluss des BGH ein anderweitiges Ende fand. Außerdem war dem Angeklagten bereits längere Zeit zuvor durch eine Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth verboten worden, den Geschädigten Dr. Freudemann einen "Mörder" zu nennen. Daraufhin hat er erneut ein Flugblatt herausgegeben, das nunmehr Dr. Freudemann als Berufskiller bezeichnet. Dieses Flugblattes wegen wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 11.3.98, rechtskräftig seit 23.6.1999, unter dem Az. : 45 Cs 404 Js 43127/1997 wegen Beleidigung zur Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. In dem Urteil 1. Instanz und auch in einem weiteren Urteil der 2. Instanz wurde dem Angeklagten mehrfach und in epischer Breite dargelegt, dass seine Meinung, dass Abtreibung Tötung unschuldiger Kinder sei, .ihn nicht dazu berechtigt, nunmehr andere Menschen unter der Gürtellinie in ihrer Ehre zu treffen. Der Angeklagte, dem bekannt ist, dass außer Dr. Freudemann in Nürnberg auch ein weiterer Arzt in München derartige Abtreibungen vornimmt, konnte nicht erklären, worum er nun ausgerechnet Dr. Freudemann zum Opfer seiner Angriffe nimmt.

Der Angeklagte ist promovierter Theologe und hat seine Dissertation verfasst über die Probleme der Taufe. Ihm müsste daher auch kirchenrechtlich die Problematik genauestens bekannt sein.

3.

Der Angeklagte erschien - wie zuvor schon in dem ersten Verfahren - bekleidet mit einem T-Shirt mit einem grossen Aufdruck "Kindermord im Klinikum Nord" und einer Ansammlung von kindlichen Gliedmaßen. Das Gericht hat von einer Ordnungsmaßnahme abgesehen, um das Klima des Verfahrens nicht zu gefährden.

II.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme.

Der Angeklagte räumt die Tat als solche ein, weist aber den Vorwurf zurück, dass der Inhalt der Flugblätter beleidigend sein soll.

Im Wesentlichen beruft er sich hierzu auf seine Stellungnahme, die er bereits in einem früheren Berufungsverfahren gegen ein anderweitiges Urteil verlesen hat, wonach er sich lediglich mit der rechtlichen Problematik der Abtreibung befasst.

Der Zeuge Korth gab an, dass er mit dem Kollegen Malcher über den ChristkindIesmarkt Streife gelaufen sei. Dort habe man gesehen, wie der Angeklagte Flugblätter verteilt habe. Er, der Zeuge, habe nur die Flugblätter vom Hauptmarkt gesehen. Der Angeklagte habe ihm die Flugblätter in die Hand gedrückt und gesagt, dass er sie behalten dürfe. Der Angeklagte habe auch erklärt, er mache dieses Verteilen dieses Flugblattes nocheinmal.

Dem Angeklagten sei dann ein Platzverweis erteilt worden und ihm wurde eröffnet, dass gegen ihn Anzeige erstattet werde und er eine Vorladung zur Beschuldigenvernehmung erhalten werde.

Auf Vorhalt seines Aktenvermerkes vom 5.12.99 (BI. 3.d.A.) erklärte der Zeuge, es sei richtig, dass der Angeklagte in einem informatorischen Gespräch erklärt habe, er sei wegen der gleichen Angelegenheit bereits strafrechtlich verurteilt worden. Er werde jedoch in Zukunft nicht damit aufhören, weiterhin Flugblätter dieser Art zu verteilen. Er sei von Rechtsbeugern wegen dieser Angelegenheit verurteilt worden.

Dem Angeklagten wurde die Verurteilung aus dem BZR (Nr. 1) vorgehalten und ihm vorgehalten, dass ihm damals schon erklärt worden sei, dass er nach keinem der verschiedenen Grundrechte ein Recht habe, andere Leute zu beleidigen und dass die Ehre eines Anderen immer abgewogen werden müsse gegenüber dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung und dem Grundrecht der Religionsausübung.

Der Angeklagte räumte ein, dass dies damals so gewesen sei.

III.

Der Angeklagte hat daher einen anderen beleidigt und war daher in Strafe zu nehmen wegen eines Vergehens der Beleidigung gem. § 185, 194, 74 Abs. 1, 74 d Abs. 1 StGB.

Soweit der Angeklagte die Flugblätter selbst dem Zeugen in die Hand gedrückt hat und auf ihre Herausgabe verzichtet hat, bedürfte es an sich einer Einziehung nicht; es wurden aber. auch andere Flugblätter gefunden, die offenbar von Dritten verteilt worden sind, die nach den genannten Vorschriften einzuziehen sind, da ihr letzter Gewahrsamsinhaber bzw. ihr Eigentümer oder Besitzer nicht zu ermitteln ist.

Die Entscheidung des BGH im zivilrechtlichen Verfahren wegen des Gebrauches der Worte "Holocaust" und "Babycaust" ist für dieses Verfahren nicht anwendbar.

In diesem Verfahren hier geht es nicht darum, dass der Angeklagte die Abtreibung als solche mit allen nur möglichen Ausdrücken belegen darf oder nicht belegen darf. Es geht darum, dass der Angeklagte hier nicht allgemein seine Äußerung zur Abtreibung geäußert hat, sondern den Geschädigten Dr. Freudemann ganz gezielt als Berufskiller bezeichnet hat.

Diese Äußerung geht weit über das hinaus, was ihm als Recht der freien Meinungsäußerung oder als Recht der freien Ausübung seiner religiösen Überzeugungen zugestanden werden kann. Der Angeklagte ist von einer Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth rechtskräftig verurteilt worden, die Bezeichnung des Herrn Dr. Freudemann als Mörder zu unterlassen. Er hat dann den Ausdruck Mörder nicht mehr benutzt, sondern Dr. Freudemann einen Berufskiller genannt. Hierwegen ist er durch mehrere Instanzen verurteilt worden.

Der Ausdruck Berufskiller ist, wie dem Angeklagten bereits gesagt worden ist, mehr als bloß eine Überspitzung dessen, was ihm zugestanden werden kann. Es handelt sich hier nicht um eine prononcierte Äußerung sondern darum, dass hier einfach jemand ganz besonders schwer in seiner Ehre getroffen werden soll. Wenn der Angeklagte nun mit Auslegung des Wortes “Killer” kommt, dass dies von dem englischen Ausdruck "to kill" herkommt und einfach bloß Töten bedeutet, so weis er ganz genau seit der letzten Verhandlung, dass der Ausdruck "Killer" im deutschen Sprachgebrauch eben nicht bloß denjenigen bezeichnet, der jemanden tötet. Wenn dann nachher auch noch Berufskiller verwendet wird, so weiß der Angeklagte wie ihm damals bereits gesagt worden ist, das halt damit einer bezeichnet wird,. der sein Einkommen damit verdient, dass er im Auftrag anderer Leute Dritte umbringt. Dieser Ausdruck ist im allgemeinen Sprachgebrauch besonders negativ besetzt.

Der Angeklagte hat ja auch eingeräumt, dass er bereits verurteilt worden ist und dass er nicht daran denkt, sich an strafgerichtliche Urteile zu halten.

Diese Rechtsfeindschaft ist aber kein Auschluss dafür, dass der Angeklagte nun etwa aus subjektiven Gründen nicht verschuldensfähig wäre. Andernfalls könnte jeder daherkommen und sagen, ich halte mich an die Rechtsordnung nicht, dies ist meine Überzeugung, ihr könnt mich daher auch nicht verurteilen.

IV.

Schuldangemessen, ausreichend aber auch erforderlich zur Ahndung der Trat war noch einmal Geldstrafe. Diese Geldstrafe musste aber empfindlich ausfallen, da der Angeklagte ja selbst erklärt hat, dass ihn die Nürnberger Gerichte nicht sonderlich interessieren und er alle Leute, die sein Verhalten für strafbar halten, als Rechtsbeuger bezeichnet. Der Angeklagte hat ja auch außer diesem Verfahren noch weitere Verfahren anhängig, wo er u. a. auch den damaligen Bundesfinanzminister solcher Straftaten geziehen hat.

Angesichts dessen spricht eigentlich für den Angeklagten lediglich, dass er in all seinen Verfahren die Handlungen selbst immer eingestanden hat und dass in diesem Falle der Anfall an Flugblättern gering gewesen sein dürfte.

Die Höhe des Tagessatzes ergibt sich aus dem festgestellten Einkommen des Angeklagten.

V.

Kosten: §§ 464, 465 StPO.

gez. Ackermann

Richter am Amtsgericht