Nürnberger Ketzerprozesse

gegen Kindermordgegner

EINE KETTE VON RECHTSBEUGUNGEN

IV.1.i. Revision

 

Landgericht Nürnberg-Fürth

- Rechtsantragsstelle -

Nürnberg, den 22.09.2000

 

Az. 10 Ns 404 Js 47438/1998

 

Gegenwärtig: Raum, Rechtspfleger

 

Niederschrift

 

in der Strafsache gegen

 

Dr. Lerle Johannes, geb. am 01.06.1952 in Halle, wohnhaft Brüxer Str. 25, 91052 Erlangen

 

wegen Beleidigung

 

Es erscheint der Angeklagte, ausgewiesen durch Vorlage des Urteils vom 31.07.2000 und Sachkenntnis, und erklärt:

 

Ich stelle folgende Revisionsanträge:

1. Das Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom 24.01.2000, (Az: 1 Ds 404 Js 47438/98) in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.07.2000 (Az: 10 Ns 404 Js 47438/1998) wird aufgehoben.

2. Der Angeklagte wird freigesprochen.

3. Hilfsweise beantrage ich die Zurückweisung des Verfahrens an das Landgericht Nürnberg-Fürth zur erneuten Hauptverhandlung und Entscheidung.

 

Zur Revisionsbegründung trage ich vor:

 

Ich rüge die Verletzung materiellen Rechts.

 

Weiterhin beruht das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 337 Abs. 1 StPO), so daß ich Aufhebung dieses Urteils und Freispruch sowie Kostentragung der Staatskasse beantrage.

 

Entgegen § 267, Abs. 1 u. 2 StPO geht die "Urteilsbegründung" nicht auf die in der mündlichen Verhandlung geltendgemachten und in schriftlicher Form zu den Akten gegebenen Tatsachen ein, die die Straflosigkeit der von der Anklage als strafbar eingestuften Äußerungen zur Folge haben.

I.

Ignoriert wurde im Urteil, daß, wie es der Gutachter Dr. Lotter bestätigte (S. 14 des Urteils), es eine medizinische Tatsache ist, daß seit der Eiverschmelzung das Kind im Mutterleib ein Mensch ist. Ist das Kind im Mutterleib aber ein Mensch, dann ist es eine Tatsache, daß Dr. Freudemann Menschen tötet. Da es medizinisch unumstritten ist, daß die von Dr. Freudemann getöteten Personen bereits schmerzempfindlich sind, hat die Aussage des verfahrensgegenständlichen Flugblattes, daß Dr. Freudemann Menschen zu Tode foltert, Tatsachencharakter.

Im angefochtenen Urteil wurde zwar diese meine Position registriert (S. 11), jedoch jegliche Stellungnahme zu derselben vermieden. Dabei ist es nach der Rechtsprechung des BVerfG, auf die ich in der Hauptverhandlung ebenfalls hingewiesen hatte, bei der strafrechtlichen Bewertung von als beleidigend empfundenen Aussagen entscheidungserheblich, ob diese als "Tatsachenbehauptungen" oder lediglich als "Meinungsäußerungen" einzustufen sind (BVerfGE 90, 241 / 247). So billigte das BVerfG die Bestrafung von Leugnern des nationalsozialistischen Völkermordes, obwohl sich die Beschwerdeführer auf ihr Grundrecht der freien Meinungsäußerung beriefen. Denn vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung sei nicht jede falsche Tatsachenbehauptung gedeckt.

Ähnlich wie bei der Tatsachenfeststellung des verfahrensgegenständlichen Flugblatts, daß Dr. Freudemann Menschen zu Tode foltert, werden durch die Aussage, daß die Nationalsozialisten in Auschwitz "Gaskammern" zur Tötung von Menschen betrieben, konkrete Personen, deren Namen allgemein bekannt sind, "in objektiver Hinsicht" in ihrer "äußeren Ehre gekränkt", zumal deren Tätigkeit gewöhnlich "nicht als legales Tun, sondern als erhebliches kriminelles Unrecht dargestellt" wird (Zitate aus S. 15 des angefochtenen Urteils). Dabei hatten doch damals viele Nazischergen ebenso im Rahmen der "gesetzlichen Regelung" (S. 16) gehandelt, wie Dr. Freudemann im Rahmen der jetzigen "gesetzlichen Regelung" handelt, wenn er unschuldige Menschen im Mutterleib tötet, was nach der Rechtsprechung des BVerfG rechtswidrig ist.

Mich deswegen zu bestrafen, weil die wahren Tatsachenfeststellungen des verfahrensgegenständlichen Flugblattes "innerhalb der menschlichen Gesellschaft eine Mißachtung und Herabsetzung" einer "konkreten Person bewirken" (S. 15), während andere eingesperrt werden, weil sie zum Zwecke der Ehrenrettung vergleichbare Greueltaten verneinen, würde bedeuten, daß nicht gleiches Recht für alle gilt. Es würde bedeuten, daß die Strafbarkeit von Tatsachenbehauptungen über Menschentötungen davon abhängt, ob diejenigen, die die Menschentötungen zur gesellschaftlichen Aufgabe aufgewertet haben, zum Zeitpunkt des Strafprozesses noch an der Macht sind, oder ob sie die Macht bereits verloren haben.

II.

Daß im angefochtenen Urteil die Kinder im Mutterleib nicht wirklich als unsere Mitmenschen anerkennt werden, zeigt sich auch darin, daß ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 193 StGB verneint wird. Daß dies ohne Begründung geschieht, ist ein Rechtsfehler. Da die Kinder im Mutterleib nicht wirklich als Menschen anerkannt wurden, unterblieb die Rechtsgüterabwägung zwischen deren Lebensrecht und dem Achtungsanspruch dessen, der sie berufsmäßig tötet.

Rechtsfehlerhaft wurde gar nicht in Erwägung gezogen, daß durch meine deutlichen Worte das Thema des Kindermordes stärker ins öffentliche Bewußtsein kommt als durch solche Formulierungen, die Dr. Freudemann bereit ist hinzunehmen. Wenn dadurch Menschenleben wirksamer gerettet werden könnten, so unterfällt dieser Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Es war ein Rechtsfehler, daß Herr Richter Skauradzun das Lebensrecht eines geretteten Menschen nicht gegen den Achtungsanspruch eines "legalen" Berufskillers abgewogen hat. Es war ein Rechtsfehler, daß nicht geprüft wurde, ob der Versuch, Menschenleben zu retten, ein "berechtigtes Interesse" im Sinne des § 193 StGB sein könnte.

Obwohl ich in der Hauptverhandlung auf die herrschende Meinung hingewiesen und eine schriftliche Fassung meiner Argumente dem Gericht für die Akten übergab, ging die Urteilsbegründung nicht auf meinen Hinweis ein, daß das durch § 185 StGB geschützte Rechtsgut nicht ein unverdient guter Ruf ist.1 Unter der durch § 185 StGB geschützten Ehre ist lediglich der objektiv verdiente Geltungswert einer Person zu verstehen, nicht aber jeder subjektive Achtungsanspruch.2 Nach der heutigen herrschenden juristischen Meinung ist es unstrittig, daß jemand seine Ehre durch eigenes Verhalten mindern kann.3 Durch welches Verhalten kann man denn seine Ehre mehr mindern als dadurch, daß man vorsätzlich unschuldige Menschen tötet?

Wenn gleiches Recht für alle gilt und wenn es keine Sonderauslegung des § 185 StGB für Lebensschützer gibt, dann erfüllt das verfahrensgegenständliche Flugblatt nicht den Straftatbestand der Beleidigung.

III.

Ein weiterer Rechtsfehler des angefochtenen Urteils ist, daß lediglich behauptet, nicht aber begründet wurde, daß Art. 4 GG als Rechtfertigungsgrund von vornherein ausscheide (S. 16). Daß die Leibesfrucht bereits ein Mensch ist, ist aber eindeutig Bibellehre, deren Bezeugung vom Schutz des Grundrechts der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit erfaßt wird. Und Art. 4 GG steht im Unterschied zu Art. 5 GG nicht unter dem Schrankenvorbehalt der allgemeinen Gesetze, sondern läßt nur verfassungsimmanente Schranken zu. Nicht aus persönlicher Gehässigkeit gegen Dr. Freudemann, sondern um die Bibellehre zu verdeutlichen, daß die von ihm getöteten Kinder im Mutterleib ebenso Menschen sind wie Hitlers Verbrechensopfer und daß sie ebenso Menschen sind wie die ermordete kleine Natalie und wie die Verbrechensopfer krimineller Skinheads, deshalb habe ich mich bemüht, über Dr. Freudemann in möglichst der gleichen Weise zu sprechen, wie über andere Personen gesprochen wird, die vorsätzlich unschuldige Menschen töten. Weder die Namensnennung Hitlers, noch die Namensnennung des Mörders der kleinen Natalie wird bestraft. Und kriminelle Skinheads wurden sogar im Fernsehen gezeigt.

Es gibt kein Gesetz, daß solche Personen, deren grundgesetzwidrige vorsätzliche Menschentötungen als gesellschaftliche Aufgabe aufgewertet wurden, einen größeren Ehrenschutz und einen größeren Rechtsanspruch auf Geheimhaltung ihrer Bluttaten hätten als solche Personen, die außerhalb unserer sogen. "Rechtsordnung" Menschen töten.

Wenn die Justiz gegen Lebensschützer vorgeht, während gleichzeitig solche Äußerungen, die "eine Mißachtung und Herabsetzung" irgendwelcher Nazischergen oder irgendwelcher Skinheads bewirken, als politisch korrekt gelten, so kann das nur daran liegen, daß die Kinder im Mutterleib entgegen der Bibellehre nicht wirklich als Menschen anerkannt werden.

In anderen als dem angefochtenen Urteil wurde diese wissenschaftlich völlig unhaltbare Denkvoraussetzung auch deutlich ausgesprochen. Es ist somit letztenendes die Gleichsetzung der Leibesfrucht mit einem Menschen, gegen die die Justiz ebenso vorgeht, wie sie seinerzeit Ketzereien bekämpft hat. Doch Ketzerei, selbst wenn solche vorliegen würde, ist heute kein Straftatbestand mehr.

Zum christlichen Glauben, dessen Bekenntnis unter dem Schutz von Art. 4 GG steht, gehört auch die biblische Zweireichelehre (Unterschied von Reich Gottes, in dem der Jesusnachfolger Bürger ist, und den innerweltlichen politischen Reichen, in denen derselbe Jesusnachfolger sich vorübergehend als Fremdling aufhält). Diese Zweireichelehre besagt unter anderem, daß einzig und allein das Gotteswort über den Inhalt der christlichen Verkündigung bestimmt. Und zur christlichen Verkündigung gehört die Lehre, daß schwangere Frauen von Gott geschaffene Menschen in ihren Körpern tragen. Um diese biblische Lehre bewußtzumachen, habe ich über einen besonders bekannten Tötungsspezialisten für ungeborene Kinder, der in der Öffentlichkeit für die gesellschaftliche Akzeptanz seiner Bluttaten warb, in gleicher Weise gesprochen, wie allgemein über Mörder gesprochen wird.

Weil die weltliche Obrigkeit von Gott keine Vollmacht hat, die Verbreitung irgendwelcher Aussagen des Gotteswortes zu verbieten, würde ich auch dann öffentlich feststellen, daß Dr. Freudemann Menschen tötet, wenn es irgendwelche Gesetze gäbe, die mir dies verbieten würden. Aber zur Zeit gibt es noch kein Gesetz, das "legale" Berufskiller, die ausschließlich im Rahmen geltender Gesetze grundgesetzwidrig unschuldige Menschen töten, in stärkerem Maße vor der Verbreitung wahrer Tatsachen schützt als solche Mörder, deren Menschentötungen bisher noch nicht vom Bundestag als gesellschaftliche Aufgabe anerkannt wurden. Und solange diese Gesetzeslücke nicht geschlossen ist, gibt es keine rechtliche Grundlage für meine Verurteilung. Und Strafe ohne gesetzliche Grundlage ist nach Art. 103 Abs. 2 GG verfassungswidrig.

Selbst gelesen, genehmigt und unterschrieben.

 

Dr. Johannes Lerle

 

gez. Raum, Rechtspfleger

 

1 Susanne Merz, Strafrechtlicher Ehrenschutz und Meinungsfreiheit, 1998, S. 6.

2 a. a. O., S.8.

3 a. a. O., S.11.